Startseite zum Kontaktformular Telefon zum Menü

Gustav Adolf Krauß

Richtungsgeber Gustav Adolf Krauß Die ANW-Landesgruppe Baden-Württemberg führt am 11. Mai 2007 ihre Landestagung in Biberach zum Thema "Oberschwäbische Fichtenwälder, Risiken - Chancen - Perspektiven" durch. Bei der Vorbereitung wurde festgestellt, dass vor genau 60 Jahren, im Frühjahr 1947, die Arbeitsgemeinschaft "Oberschwäbische Fichtenreviere" gegründet wurde.

Beweggründe für die Entstehung dieser Arbeitsgemeinschaft waren die katastrophalen Sturm- und Borkenkäferkalamitäten und betriebswirtschaftlichen Schwierigkeiten in Oberschwaben, die auf langzeitigem Fichten-Reinanbau, Kahlschlägen, Stockrodung, Waldfeldbau sowie Kriegs-und Nachkriegsereignissen (Übernutzungen, mehrere Dürreperioden) beruhten. Ziel der Arbeitsgemeinschaft war es, durch waldgeschichtliche und standörtlich-ökologische Grundlagenerhebungen mögliche Unterschiede innerhalb der großflächig herrschenden Fichtenreinbestände aufzudecken und differenzierte, forstpraktische Konsequenzen abzuleiten. Angeregt wurde die AG vom Waldbesitzer und Forstgeschichtler Dr. Felix Frhr.von Hornstein. Den Vorsitz übernahm der Leiter der Forstdirektion Südwürttemberg- Hohenzollern, Max Maier, der schon in der Vorkriegszeit in Mengen Waldumbaumaßnahmen begonnen hatte. Führender wissenschaftlicher Kopf dieser Arbeitsgemeinschaft war der Münchener Bodenkundler und Forstmann Prof. Dr. G. A. Krauß, der in den Anfangsjahren in der AG vollberuflich tätig war und umfangreiche Erfahrungen aus einer früheren, von ihm initiierten standortskundlichen Arbeitsgemeinschaft in Sachsen und Thüringen einbrachte. Er entwickelte und erprobte von 1947 bis etwa 1955 zusammen mit dem Vegetationskundler Dr. Gerhard Schlenker das kombinierte und zweistufige Verfahren der Standortserkundung und Standortskartierung in Südwestdeutschland. Die Arbeitsgruppe wurde noch ergänzt durch den Pollenanalytiker Dr. Rudolf Hauff und den Geologen Dr. Fritz Weidenbach. Die Standortskartierung begann im oberschwäbischen Großprivatwald, aber schon ab 1951 folgte die Kartierung der großen Staatswaldkomplexe zwischen Bodensee und Donau. Sie lieferte wertvolle Informationen über die Verbreitung und Eigenschaften "physikalisch und chemisch labiler" und "stabiler" Standorte, gab Hinweise zu waldgeschichtlich bedingten Bodendegradationen, zur standortsspezifischen Baumarteneignung (Bodenpfleglichkeit, Betriebssicherheit, Ertragsleistung, Konkurrenzkraft) und zu möglichen Baumartenmischungen vor dem Hintergrund natürlicher Waldgesellschaften. Krauß und Schlenker förderten im Rahmen der AG die waldbauliche und ertragskundliche Auswertung standortskundlicher Unterlagen in Kooperation mit örtlich erfahrenen Forstpraktikern; ein vorbildhaftes Projekt war z.B. die Zusammenarbeit mit Forstdirektor Viktor Moosmayer, der im Fürstlich Waldburg-Zeil`schen Forstbetrieb die Fichten-Kahlschlagwirtschaft aufgab und auf standortsgemäße Waldwirtschaft umstellte.

Krauß war - viel zu wenig bekannt (in bisherigen Nachrufen eventuell verschwiegen ??) - Gründungsmitglied der Arbeitsgemeinschaft Naturgemäße Waldwirtschaft (1950) und trug bei den ersten ANW-Arbeitstagungen "durch temperamentvolle Diskussionsbeiträge zur Lebhaftigkeit und Vielseitigkeit der Aussprachen bei" (zitiert nach AFZ Nr. 26/27, 1950).

Wie Dr. Karl Dannecker war Prof. Krauß ein ausgesprochener Liebhaber (und Erforscher) der Weißtanne und Verfechter einer nachhaltigen, stetigen, naturgemäßen Waldwirtschaft. Krauß war als junger Forstmann durch die Waldbauphilosophie von Prof. Karl Gayer geprägt worden, kam in Kontakt mit dem naturnah denkenden Dr. Karl Rebel, weiland Waldbau- und Forsteinrichtungsreferent am Ministerium in München, und war langjähriger Assistent beim damals führenden Bodenkundler Prof. Emil Ramann, einem Befürworter der Dauerwaldtheorie und Freund von Prof. Alfred Möller. Als Hochschullehrer in Tharandt (1925-1935) lernte Krauß die naturgemäß arbeitenden Betriebe von Hohenlübbichow, Bärenthoren, Sauen und Eberswalde kennen und schätzen, wandte sich jedoch - ähnlich wie Erhard Hausendorff und später Johannes Blanckmeister - gegen einzelne Übertreibungen der Dauerwaldbewegung nach dem Tod von Alfred Möller, vor allem wenn standörtliche Bedingtheiten missachtet wurden. Dr. Willy Wobst und Prof. Johannes Blanckmeister, beide ebenfalls Mitbegründer der ANW, waren Mitarbeiter und Doktoranden von Prof Krauß in Tharandt. Auch Münchener Forststudenten (z.B. Georg Meister) sind in den späteren Jahren von Prof. Krauß nachweislich in das "natur- und standortsgemäße Gedankengut" eingeführt worden. Zeitzeugen bestätigten übereinstimmend, dass es Prof. Krauss in überzeugender Weise gelang, die Wirkungszusammenzusammenhänge aller wichtigen im Walde agierenden Einzelkräfte und das ganzheitliche Konzept einer ökologisch orientierten Waldwirtschaft im Rahmen sehr engagierter, anschaulicher und vielseitiger Exkursionen und Lehrreisen darzustellen. Krauß setzte sich auch in der AG "Oberschwäbische Fichtenreviere" mit Vehemenz für die Wiederherstellung betont naturnaher, stabiler und gleichzeitig leistungsfähiger Mischbestände ein, die jedoch regionalspezifische und nach den Standortsverhältnissen differenzierte Ausprägung haben sollten. Er informierte die Forstpraxis über standörtlich bedingte potentielle Gefahren und Möglichkeiten bei der Baumartenwahl und Ursachen anthropogen verursachter Bodenstörungen und Wuchsstockungen (z.B. für die von ihm intensiv erforschten wechselfeuchten bis -nassen Problemstandorte). Krauß lehnte jedoch eine Festlegung genereller Bestockungsziele mit definierten Mischungsanteilen für die einzelnen Standortseinheiten ab, da er einer waldbaulichen Schematisierung nicht Vorschub leisten wollte. Er plädierte für eine vorbeugende Waldbodenpflege durch Laubholzbeimischung, Stufigkeit, Reisigdüngung, Akzeptanz von Weichlaubhölzern und Sträuchern, und prinzipiellen Verzicht auf Kahlschläge und Stockrodung. Er war auch kein Freund einer tiefreichenden, künstlichen Bodenlockerung (Bodenbearbeitung). Krauß beklagte auch - genauso wie G. Schlenker und Willy Wobst - die vielerorts überhöhten Schalenwildbestände als entscheidendes Hindernis für einen erfolgreichen Waldumbau und eine Naturverjüngung standortsheimischer Baumarten. Die in ANW- (Privatwald)Betrieben traditionell intensiv betriebene Schalenwildbejagung und dadurch ermöglichte Vielfalt an standortsheimischen Baumarten war wohl ein Grund dafür, dass auf Standortskartierungen in diesen Betrieben vielfach lange Zeit leider verzichtet wurde.

Die forstliche Praxis in Oberschwaben ging oft andere Wege als von Prof. Krauß vorgeschlagen: für Fichten grundsätzlich geeignete "stabile" Standorte wurden gerne weiterhin für den Reinanbau verwendet, Bestandesumwandlung oft durch flächigen Abtrieb und nachfolgende Pflanzung abrupt vollzogen, der Kahlschlag als Regelverfahren beibehalten, und beigemischte Baumarten dem Wild oder Frost auf der Freifläche geopfert. Im Jahr 1964 wurde ein umfangreicher Abschlussbericht der AG "Oberschwäbische Fichtenreviere" publiziert, an dem G.A. Krauss aus Altersgründen leider nicht mehr beteiligt war. Paul Kirschfeld, der über waldwirtschaftliche Untersuchungen im Rahmen der AG berichtete, zog folgende Schlussfolgerung (Zitat): "Die Erfolgsprüfung der bisherigen Wirtschaftsmaßnahmen aufgrund der Zustandserfassung hat die Berechtigung wesentlicher Bedenken gegen den Fichtenreinbestand auf großer Fläche bestätigt. Allerdings - in standörtlich stark wechselnder Intensität. Insofern ist das Bild der Wirtschaft mit der Fichte als Hauptbaumart ein wesentlich günstigeres geworden, als bei Gründung der Arbeitsgemeinschaft angenommen worden war, zumal technische Hilfen, wie Bodenbearbeitung und Düngung, neben die bisher im Vordergrund gestandenen biologischen Hilfen (Mischbestand) treten können"(Zitat Ende). Im Rahmen eines Vortrags bei der Forstvereinstagung 1960 in Stuttgart sprach sich Paul Kirschfeld für einen standortsangepassten "freien Stil des Waldbaus" (im Sinne von Josef Köstler) aus: der Plenterhieb sei ebenso zulässig wie der Kahlhieb. Er relativierte die Problematik des Kahlhiebs mit folgender Aussage (Zitat): "....die Verfemung des Kahlhiebs (ist) einer ruhigeren Auffassung gewichen. Im Zusammenwirken mit Düngung, Bodenbearbeitung und entsprechender Baumarten- und Hilfspflanzenwahl hat er seine Schrecken auf vielen Standorten verloren".


Von Prof. Dr. Hermann Rodenkirchen, April 2007.